Kaltblütig von Leopold Otto

Kaffee lief aus der Maschine in die Tasse. Kommissar Kreimann entnahm sie dem Brett und lies 2 Würfel Zucker, sowie einen Schluck Milch in die schwarze Brühe fallen. Er atmete kurz durch und trank dann einen Schluck. Sein Blick fiel auf den Kalender und sein Atem setzte kurzzeitig aus. Der heutige Tag trug den Eintrag „Ankunft Andrea Schmidt“. Jesses Maria! Das hatte er ja ganz vergessen. Kreimann stellte den Kaffee ab und rannte los. Der Hauptkommissar warf sich nur schnell einen Mantel über und steuerte in rasantem Tempo auf den Parkplatz zu. Ein älterer Mann blickte verdutzt zu ihm hinüber. „Wieso die jungen Leute auch immer so eine Hektik machen müssen, gell Kalle?“, murmelte er und schaute zu seinem Dackel hinunter, der zustimmend bellte. Und so schauten nun beide dem blonden Man hinterher, der beim Losfahren den Kies nur so fliegen ließ.

***

Die Wintergastalm lockte schon seit mehreren Jahren kaum noch Besucher an. Das lag daran, dass der Wirt der Alm vor 2 Jahren bei einem Autounfall gestorben war. Die meisten der Besucher kamen nämlich nur hier hinauf, um sich mit dem alten Winter zu unterhalten. Doch als der dann das Zeitliche gesegnet hat, sanken die Besucherzahlen rapide. Durch weniger Gäste mussten die Preise notgedrungen hochgenommen werden, ja, fast verdoppelt. Ein Großteil des Personals wurde entlassen und die Getränke jetzt persönlich abgeholt. Und nun steckten die neuen Besitzer, Winters Neffe Jan mitsamt Frau Connie, bis zum Hals in Schulden.
Eben war Connie daran, den alten Zapfhahn zu reinigen, als es laut an der Tür pochte. Die Wirtin richtete sich schwungvoll auf, brachte schnell ihre schwarzen Haare in Ordnung und ließ den Holzstab, mit dem sie gerade im Hahn gestochert hatte, schnell im Müll verschwinden. Sie hatte da so einen Verdacht, der sich an der Tür bewahrheitete. „Friedrich Darnstädt,  ich bin vom Gesundheitsamt“, sagte der tadellos gekleidete Mann in lupenreinem Hochdeutsch. „Allgemeine Geschäftsprüfung. Darf ich rein kommen?“ Connie gab ihm wortlos den Weg frei und rief nach ihrem Mann. „Jan? Das Gesundheitsamt ist da!“ Der Gerufene kam aus dem Getränkelager und begrüßte Darnstädt herzlich. Der erste Eindruck zählt, wollte er Connie damit sagen, was dieser aber herzlich egal war. „Ich hol dann mal den Hygieneplan“, sagte sie tonlos und ging nach hinten. Das würde ja ein schöner Reinfall werden!

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Mit einer Flasche Rotwein und einer Packung Pralinen unter dem Arm hechtet Kreimann zurück in sein Büro. Er atmete tief durch. Jetzt konnte sie ja kommen, die neue Kommissarin. Er verpackte Wein und Pralinen hübsch und stellte sie auf den Schreibtisch seiner neune Kollegin, auf dem schon mehrere Geschenke und Willkommens-Karten lagen. Gerade noch rechtzeitig. Die Uhr schaltete auf um elf, die Tür ging auf und Andrea Schmidt betrat den Raum. Sie hatte schulterlange, schwarze Haare, die sie jetzt aber stramm zusammengebunden hatte. Ihre Haltung und ihr Gang lösten Respekt aus und zeigten Strenge sowie eine hohes Durchsetzungsvermögen. Kreimann schluckte. Wie sollte er die denn jetzt begrüßen?

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Mattes Licht schien durch die Fenster in die Gaststube der Alm hinein. Friedrich Darnstädt inspizierte soeben das Getränkelager. „Alles ordentlich, nur der Orangensaft ist mittlerweile abgelaufen.“ Er wendete sich an Connie. „Jetzt würde ich mir gerne noch die Zapfhähne anschauen.“ Die Wirtin zuckte zusammen. Innerlich hatte sie gehofft, dass Darnstädt es vergessen würde, hatte sogar angefangen es zu glauben. „Bitte“, gab sie ihm den Weg frei. Innerlich fluchte sie. Diese blöde Alm! Sie hätte sich den ganzen Ärger ersparen können, hätte sie damals einfach einen Schlussstrich gezogen. Doch das war Vergangenheit. Und das hier war jetzt ihr selbst verschuldetes Leid.

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Die Nacht war sternenklar. Im Dorf war es ruhig, niemand war mehr auf der Straße. Die Bäume schaukelten im Wind und die Flüsse plätscherten leise dahin. Von der Wintergastalm aus hatte man einen wunderbaren Blick. Hätte man zu mindestens, wenn diese nicht lichterloh in Flammen stehen würde…

Ein paar Stunden später hatte die Feuerwehr den Brand gelöscht. Allerdings war nicht mehr viel von der Alm übrig geblieben, sie war bis auf die Grundmauern niedergebrannt. Zum Glück wohnten Jan und Connie Winter schon seit einem halben Jahr unten im Dorf. Die beiden Wirtsleute hatten heute auch den Brand entdeckt. Nun saßen beide auf dem Polizeipräsidium. Connie schien nicht ernstlich betrübt. In Wahrheit war sie froh darüber, dass es gebrannt hatte. Ihr Mann Jan allerdings war tatsächlich erschüttert darüber, dass das Feuer alles vernichtet hatte. Gleichzeitig sah er es aber auch als neue Chance, ein besseres und sorgenfreieres Leben anzufangen.

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Im Büro der Kommissare stellte Andrea Schmidt Theorien auf. „Wie wäre es denn, wenn Connie Winter den Brand gelegt hat? Sie sah mir nicht sonderlich betrübt aus.“ Ihr Kollege Kreimann wippte mit dem Kopf. Er war sich nicht so ganz sicher bei der Sache. War Connie zu sowas fähig?“ „Außerdem“, fuhr Andrea Schmidt fort, „hätte sie auch ein Motiv für den Mord an den ehemaligen Besitzer, Franz Winter. Der Alte wollte nämlich in Rente gehen und ihnen die Alm überlassen. Und da Jan Winter niemals hätte ablehnen können, musste Connie den Franz Winter aus der Welt schaffen. Allerdings konnte sie ja nicht ahnen, dass sich Jan so noch mehr verpflichtet fühlte, die Alm –“ Kreimann unterbrach sie hart. „Frau Schmidt, das sind nur Spekulationen! Wir haben den Tod vom alten Winter genausten untersucht, der Bremsschlauch war angeknabbert!“ Jetzt wurde Andrea Schmidt wütend. „Frauen stehen für perfide Mordmöglichkeiten! Es muss doch nicht so schwer gewesen sein, einen Marder an das Auto zu locken!“

„Wir sind hier nicht im „Tatort“!“

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Wenig später, der Verhörraum war schwach beleuchtet. Connie saß auf einem Stuhl und hörte sich Andrea Schmidts Vortrag an. „Der alte Winter wollte Ihnen die Alm überlassen, ihr Mann hätte da niemals „Nein“ sagen können! Also musste Franz Winter weg, bevor es dazu kam. Sie haben sein Bremskabel durchtrennt oder durchkauen lassen! Von einem Tier, oder so!“ „Frau Schmidt“, unterbrach Connie sie. „Das hier ist die Realität. Und kein scheiß…“ „Tatort?“ Kreimann verstummte. Connie fuhr ungehindert fort: „Haben Sie denn schon meinen Mann verhört?“ „Natürlich, ich glaube allerdings nicht, dass er so kaltblütig ist und seinen Onkel umbringt und nachher auch noch seine Hütte abfackelt!“ Es wurde still.

***

3 Tage später:

Connie schüttelte sich. Die Kommissare hatten keine Beweise gegen sie. Sie dachte an Marder. Ja, die Tiere sind leicht anzulocken. Am besten eignet sich ein weißes, rohes Ei, Nüsse mit Honig bestrichen oder Trockenobst. Alternativ geht natürlich auch ein Stück rohes Fleisch. Oder Katzenfutter. Sie befestigte ihre Klettersachen über der Schlucht und schaute hinunter. Alle würden denken, sie wäre abgestürzt. Jetzt ab in die Sonne! Tschüss, Alpen!

Die Polizei konnte Connies Leiche einfach nicht finden. Natürlich nicht.

von Leopold Otto, 14 Jahre

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